Soziale Erhaltungsgebiete: Worauf ist bei Immobilienkauf und Vermietung zu achten?

Seit 30 Jahren steigt die Anzahl der sozialen Erhaltungsgebiete, auch bezeichnet als „Milieuschutzgebiete“, in Berlin stetig. In diesen Gebieten ist Vorsicht beim Kauf oder bei der Vermietung von Immobilien gelten zu lassen. Denn: Umbauten, Renovierungen oder Zusammensetzungen, sowie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stellen sich in Berliner Erhaltungsgebieten oftmals als schwierig dar!


Was sind soziale Erhaltungsgebiete?

Soziale Erhaltungsgebiete sollen der Verdrängung von Bewohnern entgegenwirken und sind ein Instrument für den sog. „Erhaltungsschutz“. Durch hohe Hürden für Umbauten und Zusammenlegungen soll Berliner Wohnraum vor Luxussanierungen und ständigem Eigentümerwechsel geschützt werden. Die soziale Erhaltungsgebiete in Berlin sind fest definierte Gebiete innerhalb eines Bezirkes. Zurzeit gibt es insgesamt 72 soziale Erhaltungsgebiete in Berlin und in den letzten Jahren konnte ein stetiger Zuwachs von Erhaltungsgebieten beobachtet werden.
Zunehmend wird ein Teil eines Bezirkes oder ein „Kiez“ als Milieuschutzgebiet festgelegt, um die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten.
Weiteres Ziel von Erhaltungsgebieten kann in der städtebaulichen Eigenart des Gebietes liegen, z.B. wenn sich ein Bereich durch eine besondere künstlerische Eigenart und typische Bauweisen kennzeichnet.


Rechtliche Grundlagen:

Um Milieuschutzgebiete zu festzulegen, benötigt die Gemeinde Berlin eine rechtliche Befugnisnorm.
Die Ermächtigungsgrundlage für Gemeinden zum Erlass von Erhaltungssatzungen findet sich in § 172 Baugesetzbuch (BauGB).
Durch diese städtebauliche Rechtsgrundlage können Gemeinden die „Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ durch Satzungen oder Bebauungsplan rechtlich durchsetzen. Von dieser rechtlichen Grundlage macht die Stadt Berlin nun seit vielen Jahren gebraucht und ernennt immer mehr Berliner Bezirke durch Satzung als soziale Erhaltungsgebiete.


Konsequenz: Genehmigungserfordernis

Durch den Erlass einer Satzung nach § 172 BauGB und der Begründung eines Erhaltungsgebiets, müssen grundsätzlich der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen durch eine Baugenehmigung vorher abgesegnet werden. Die erforderliche Baugenehmigung muss durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde erteilt werden.

Eine Genehmigung muss eingeholt werden, bei:
-    Rückbau eines Gebäudes
-    Änderungen von baulichen Anlagen
-    Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum

Neue Verordnung erschwert auch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Berlin:

Neben einer Satzung auf der Rechtsgrundlage des Baugesetzbuches konnten die Berliner Bezirke bisher in den Erhaltungsgebieten entscheiden, ob die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen genehmigungsfähig ist oder nicht.
Nach dem Erlass einer neuen Verordnung vom Berliner Senat im Jahr 2021 ist es aber zu einer Neuregelung gekommen. Künftig herrscht eine Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in bestehenden Wohngebäuden ab fünf Wohnungen. Diese Regelung gilt stadtweit, ohne Rücksicht auf die Kennzeichnung von Erhaltungsgebieten.
Bei der neuen Umwandlungsverordnung handelt es sich um eine befristete Verordnung, die spätestens mit Ablauf des 31.12.2025 außer Kraft tritt.
Hintergrund der neuen Umwandlungsverordnung ist eine Gesetzesänderung des Baugesetzbuchs. Neu eingeführt wurde der § 250 BauGB, durch den die Landesregierung ermächtigt wird, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung zu bestimmen, in denen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen grundsätzlich verboten ist und nur durch eine Genehmigung erfolgen darf.

Wann kann eine Genehmigung zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnung erfolgen?

Das Gesetz sieht Fälle vor, in denen eine Genehmigung zur Umwandlung von einer Miet- in eine Eigentumswohnung zwingend erfolgen muss. Erfasst ist hiervon insbesondere die Begründung von Eigentum zur Nutzung von Familienangehörigen. Die Genehmigung muss außerdem erteilt werden, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums die Wohnung nur an den Mieter und nicht an Andere zu veräußern.


Vorkaufsrecht der Berliner Bezirke: Änderung der Vorkaufsrechtspraxis durch neue Rechtsprechung

Eine weitere Änderung im Bereich der sozialen Erhaltungsgebiete stellt das Vorkaufsrecht der Gemeinden bzw. Bezirke dar. Gem. § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB haben die Gemeinden grundsätzlich ein Vorkaufsrecht für ein im Milieuschutz liegendes Grundstück.
Durch ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 (BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 - 4 C 1.20) wurde das Vorkaufsrecht von Berliner Bezirken aber eingeschränkt. In diesem Urteil hat das Gericht entschieden, dass ein Vorkaufsrecht des Bezirks nicht vorliegt, wenn das Grundstück gemäß der Ziele und Zwecke der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und zusätzlich an der baulichen Anlage keine Mängel oder Missstände i.S.d. § 177 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BauGB vorliegen.
Wenn diese Voraussetzung also vorliegen, ist das Vorkaufsrecht der Gemeinde ausgeschlossen.

Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch nicht unumstritten, sodass im nächsten Jahr eventuell eine Neuregelung des BauGB bezüglich des Vorkaufsrechts und eine Klarstellung des Vorkaufsrechts speziell für Berliner Bezirke zu erwarten ist.
Klar ist jedoch: Das früher unproblematisch angewendete Vorkaufsrecht von Berliner Bezirken kann nicht mehr ohne Grund auf jede bauliche Anlage in sozialen Erhaltungsgebieten in Gebrauch genommen werden.

Vor einem Immobilienkauf sollte sich der Käufer vorher informieren, ob das Grundstück in einem sozialen Erhaltungsgebiet liegt und ob somit Umbauten oder Renovierungen genehmigungspflichtig sind.
Außerdem empfiehlt sich gerade im Bereich des Vorkaufsrechts eine rechtsanwaltliche Beratung.

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