In den von uns vertretenen Mandaten kommt es immer wieder zum Versuch von Anlageberatern, ein beim Ehepartner eines Anlegers vorhandenes Wissen dem jeweils anderen Partner zuzurechnen. Ziel ist es zum Einen, einem wirtschaftlich unerfahrenen Ehepartner das Wissen des erfahreneren Partners zuzurechnen, um eine Falschberatung auszuschließen. Zum Anderen wird das Ziel verfolgt, mit einem beim Ehepartner vorhandenen und zugerechneten Wissen Fristen, hier insbesondere die Verjährungsfristen, in Gang zu setzen. Mit einer Entscheidung aus dem Dezember 2012 hat der Bundesgerichtshof einer Zurechnung ohne weitere hinzutretende Momente einen Riegel vorgeschoben.
Wie der BGH zum Aktenzeichen III ZR 298/11 entschieden hat (Entscheidung im Volltext unten auf dieser Seite), ist es unschädlich, wenn ein Ehegatte einen Anlageprospekt durchliest. Sein Wissen wird dem jeweils anderen Ehegatten nur dann zugerechnet, wenn dieser als sogenannter „Wissensvertreter“ tätig geworden ist. Hierfür ist es allerdings erforderlich, dass eine entsprechende Verpflichtung bzw. Aufgabe durch den jeweils anderen Ehegatten übertragen worden ist. Dies dürfte in den wenigsten Fällen so sein. Das rein tatsächliche Lesen eines Prospekts durch einen Ehepartner reicht nicht aus, diesen schon als Wissensvertreter zu qualifizieren. Es gibt auch keine Vermutung dafür, dass ein Ehegatte als Wissensvertreter des jeweils anderen tätig wird. Eine solche Vertreterstellung muss derjenige, der sich auf das Wissen des jeweils anderen Ehepartners beruft, beweisen, was in den wenigsten Fällen gelingen dürfte.
Im entschiedenen Fall ging es um eine mögliche Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus einer Falschberatung. Die unteren Instanzen hatten entschieden, dass Ansprüche des klagenden Ehemannes verjährt seien, weil seine Ehefrau bereits Jahre zuvor den Anlageprospekt genau durchgelesen habe. Die Verjährungsfrist hätte dann mit diesem Ereignis zu laufen begonnen. Der BGH hat allerdings aus den oben genannten Gründen entschieden, dass die Kenntnis der Ehefrau dem Kläger nicht zugerechnet werden kann, weil sie zwar unstreitig den Prospekt gelesen, aber nicht als Wissensvertreter tätig geworden sei. Die Ansprüche sind daher in unverjährter Zeit rechtshängig geworden.
Wie in nahezu allen Fällen von fehlerhaften Beratungen kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Diese sollten betroffene Anleger von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen.