BGH: Keine Verjährung von Ansprüchen wegen Verschweigens des Totalverlustrisikos

Der BGH hat in seinem Urteil vom 17. Juni 2010, Az. III ZR 243/09, über einen Sachverhalt entschieden, bei dem sich ein Anleger im Jahr 2000 auf Vorschlag seines Anlageberaters an einem Immobilienfonds beteiligte. Die Beteiligung wurde von einer Treuhandkommanditistin gehalten. Die Beteiligung wurde mittels eines Darlehens einer Bank finanziert. In den ersten Jahren erfolgten die prognostizierten Ausschüttungen in Höhe von 7%. Ab 2004 wurden diese auf 5% reduziert. Inzwischen ist der Fonds notleidend.

Der Anspruch wurde von der Lebensgefährtin und späteren Ehefrau des Anlegers vor Gericht geltend gemacht, nachdem dieser seine Schadensersatzansprüche an sie abgetreten hatte. Neben der Frage der Wirksamkeit dieser Abtretung beschäftigte sich der BGH in diesem Urteil auch mit der Frage, ob der Anleger aufgrund der bereits erfolgten Reduzierung der Ausschüttungen hätte erkennen müssen, dass mit der Kapitalanlage auch ein Totalverlustrisiko verbunden ist. Diese Frage hat der BGH zugunsten des Anlegers verneint. Anders kann es aber sein, wenn Nachschüsse gefordert werden. Insofern ist auf jeden einzelnen Beratungsfehler gesondert abzustellen.

In dem hier entschiedenen Fall führt der BGH aus, dass für den Anleger zwar durch den Rückgang der Ausschüttungen erkennbar war, dass der wirtschaftliche Erfolg der Anlage nicht in der Weise eintrat, wie der Beklagte ihm dies versprochen hatte. Daraus ergebe sich aber nicht zwangsläufig die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, dass mit der Kapitalanlage auch ein Totalverlustrisiko verbunden ist und ihm deshalb Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen eines Beratungsfehlers unter diesem Gesichtspunkt zustehen, so der BGH. Der BGH führt in diesem Zusammenhang weiter aus, dass die Frage, ob die Substanz der Anlage angegriffen werde, zwar mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Fonds zusammenhänge. Allerdings sei eine mögliche Änderung der Ausschüttung im Hinblick auf Vermietungserfolge des Immobilienfonds nicht gleichbedeutend damit, dass auch ein Totalverlust eintreten kann. Bei der Bewertung der Anlage ist es für einen Anleger ganz wesentlich, ob er wenigstens seine Einlage zurückbehält und der Kapitalstock erhalten bleibt, auch wenn er möglicherweise keine Zinsen verdient, so der BGH. Dies gelte erst recht, wenn der Anlagebetrag wie in dem vom BGH entschiedenen Fall fremdfinanziert ist. Wegen der besonderen Bedeutung der Frage des Kapitalerhalts für den Anleger sei deshalb dem Risiko eines möglichen Substanzverlusts bis hin zum Totalverlust eine andere rechtliche Qualität beizumessen, als der Frage nach der Höhe der zu erwartenden Rendite.

Damit hat der BGH der Rechtsprechung von zahlreichen Land- und Oberlandesgerichten eine Absage erteilt, die zuungunsten der jeweiligen Anleger teilweise schon nach drei Jahren ab Zeichnung der Anlage von der Verjährung der Schadensersatzansprüche ausgegangen ist, weil die Anleger es unterlassen hätten, sich nach Zeichnung des Fonds den Emissionsprospekt durchzulesen und sich vielmehr auf die mündliche Beratung des Anlageberaters verlassen haben. Ein solches Verhalten hatten etliche Gerichte als grob fahrlässig betrachtet, womit die Verjährungsfrist jeweils als in Gang gesetzt galt. Da eine solche Auffassung nach diesem Urteil des BGH kaum noch vertretbar sein dürfte, haben Anleger in solchen Konstellationen nun länger die Chance, in unverjährter Zeit ihre Ansprüche geltend zu machen.



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