Anwendung und Widerruf des Verbraucherbauvertrags – Verbraucherschutz und Unternehmerinteressen im Einklang?

Bei einem Vertrag zwischen einem erfahrenen Geschäftsmann und einem unerfahrenen Kunden kann es gerade bei einem komplexen Vertrag wie bei einem Bauvertrag zu nachträglichen Uneinigkeiten kommen.

Der Bauvertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer wird aus diesem Grund gesetzlich durch die spezielle Vertragsform des Verbraucherbauvertrags in § 650i BGB geregelt.

Ein Bauvertrag stellt für einen Verbraucher meist eine hohe finanzielle Verpflichtung dar, durch die er sich über viele Jahre finanziell bindet.

Damit der Verbraucher als Vertragspartner vor einer übereilten Entscheidung geschützt wird, wird ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht eingeräumt, durch welches er binnen 14 Tagen seinen Widerruf vom Vertrag erklären kann.

Gleichzeitig ist dieses Widerrufsrecht mit dem berechtigten Interesse des Unternehmers in Einklang zu bringen. Denn dieser muss auch auf das Geschäft vertrauen dürfen, um einen geregelten Geschäftsbetrieb führen zu können.

Was ist ein Verbraucherbauvertrag?

Ziel des Vertrags:

Dadurch, dass der Gesetzgeber dem Verbraucherbauvertrag eigene, spezielle Vorschriften im BGB einräumt, wird der besondere Schutz der Verbraucherinteressen deutlich. Der Schutz von Verbrauchern findet sich an vielen Stellen im Gesetz wieder, so z.B. in den Vorschriften zum Verbraucherkaufvertrag in den §§ 474 ff. BGB. Der Verbraucher, welcher durch den Bauvertrag jahrelang gebunden wird, scheint aus diesem Grund im Sinne des Gesetzes schutzwürdig.

Ab dem 01.01.2018 hat der Gesetzgeber das Bauvertragsrecht insgesamt reformiert und im Rahmen jener Reform den neuen Vertragstyp des Verbraucherbauvertrags und ein Widerrufsrecht des Verbrauchers geschaffen.

Auf wen werden die gesetzlichen Vorschriften des Verbraucherbauvertrags angewendet?

Voraussetzung für die Anwendung des Verbraucherbauvertrags gem. §§ 650i ff. BGB ist das Vorliegen eines beiderseitigen Bauvertrags zwischen einem Verbraucher und Unternehmer. Nach der gesetzlichen Definition ist ein Verbraucher, wer ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB). Währenddessen gilt als Unternehmer jeder Mensch oder jede Personengesellschaft (GbR), die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 BGB).
Darüber hinaus finden die Regelungen zum Verbraucherbauvertrag nur für den Bau eines „neuen Gebäudes“ oder für „erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude“, welches zu Wohnzwecken genutzt wird. Bei dem Bau eines neuen Gebäudes auf einem Grundstück ist dieses Merkmal einfach zu bejahen. Bei Umbaumaßnahmen hingegen kommt es darauf an, ob das Gebäude wesentlich umgestaltet wurde und das Gepräge des Gebäudes umfassend geändert wurde (vgl. MüKo BGB/Busche Rn.6). Lediglich kleine Renovierungsarbeiten oder Maler -oder Fußbodenbelagsarbeiten fallen nicht unter die strengen gesetzlichen Vorschriften des Verbraucherbauvertrags.

Inhalt und Form des Vertrags:

Das BGB stellt sowohl in förmlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht fest, welche Bestandteile der Verbraucherbauvertrag haben muss. Gem. § 650i Abs. 2 BGB bedarf dieser der Textform; im Sinne des Gesetzes bedeutet dies eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt wird, welche auf einem Datenträger gespeichert wird. Hier wird erneut das schutzwürdige Interesse des Verbrauchers deutlich. Dieser soll nicht an einen mündlichen Vertrag gebunden werden. Wichtig für Unternehmer, also die Bauauftragnehmer, ist es, auf eine verständliche, gut lesbare und handschriftlich unterschriebene Textform des Verbraucherbauvertrags zu achten. Der Vertrag kann durch ein Bauvertragsformular oder durch eine Individualabrede zwischen den Parteien geschlossen werden. Unternehmer müssen sich aber dessen bewusst sein, dass ein Mangel am Vertrag - durch z.B. eine für einen durchschnittlichen Verbraucher unverständliche Fachsprache - zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen kann.

Widerrufsrecht gem. §§ 650l, 355 BGB:

Um den Verbraucher vor überstürztem Vertragsschluss zu schützen, legt das Gesetz in § 650l BGB fest, dass dem Verbraucher für den Verbraucherbauvertrag ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zusteht, es sei denn der Vertrag wurde notariell beurkundet.

Wird aber, wie in den meisten Fällen üblich, ein Verbraucherbauvertrag nicht notariell beurkundet, findet die Vorschrift über den Widerruf in § 355 BGB Anwendung. Für den Unternehmer bedeutet dies, dass bei einem erfolgreichen Widerruf die Vertragsannahme des Verbrauchers unwirksam wird und der Vertrag als nie zustande gekommen gilt. Ein Widerruf kann sowohl schriftlich wie auch telefonisch erfolgen und der Verbraucher muss keinen sachlichen Grund für seinen Widerruf angeben. Hinsichtlich der Widerrufsfrist ist allerdings notwendig, dass der Verbraucher den Widerruf binnen 14 Tagen nach Vertragsschluss erklärt. Wenn jedoch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung beim Verbraucher vorlag, verschiebt sich der Beginn der Widerrufsfrist gem. § 356e BGB nach hinten. Wird der Verbraucher vor dem Vertragsschluss nicht ordentlich über seine Möglichkeiten zum Widerruf belehrt, erlischt seine Frist zum Widerruf erst nach 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss.

Widerrufsbelehrung: Worauf muss der Unternehmer achten?

Für den Unternehmer kann eine nicht oder nicht ordentlich erbrachte Widerrufsbelehrung gegenüber dem Verbraucher zur Folge haben, dass sich das Widerrufsrecht des Verbrauchers auf über 12 Monate erstreckt. Gerade in Hinblick auf eine Rückabwicklung des Vertrages stellen sich hier große Probleme in der Handhabung. 12 Monate nach Vertragsschluss ist es in aller Regel schon zu diversen Bauleistungen des Unternehmers gekommen. Um eine komplizierte Rückabwicklung auf beiden Seiten zu vermeiden, sollten Unternehmer auf eine wirksame Widerrufsbelehrung achten, damit die Widerrufsfrist des Verbrauchers nicht über 14 Tage hinausläuft. Zunächst sollte diese Belehrung schriftlich erfolgen. Darüber hinaus ist enorm wichtig, dass es sich bei der Belehrung um ein deutlich gestaltetes und für einen durchschnittlichen Verbraucher klares und verständliches Schreiben handelt. Ein objektiver Durchschnittsverbraucher muss die Belehrung verstehen können. Inhalt der Widerrufsbelehrung muss auch der Hinweis darauf sein, dass der Verbraucher keinen Grund zum Widerruf angeben muss. Weiterhin muss dem Verbraucher genau mitgeteilt werden, wem genau er die Widerrufserklärung zukommen lassen muss. Einer wirksamen Widerrufsbelehrung steht nicht entgegen, dass der Unternehmer ein bereits vorgefertigtes Muster verwendet. Ein entsprechendes Muster stellt der Gesetzgeber in Anlage 10 zu Art. 249 EGBGB zur Verfügung.

Verpflichtung zum Wertersatz des Verbrauchers, § 357e BGB:

Kommt es innerhalb der Widerrufsfrist von 14 Tagen bei wirksamer Belehrung oder 12 Monaten und 14 Tagen bei unwirksamer Widerrufsbelehrung zu Leistungen des Unternehmers, stellt sich die Frage, ob der Verbraucher zur Rückgewähr der Leistungen verpflichtet ist. Der Gesetzgeber führte hierfür die spezielle Regelung des § 357e BGB ein. Wenn die Rückgewähr der Leistungen ihrer Natur nach ausgeschlossen ist, was bei Bauleistungen regelmäßig zu bejahen ist, schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz für die erbrachte Leistung. Das ehemalige Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wandelt sich nun in ein sog.

Rückgewährschuldverhältnis um. Die Berechnung dieses Wertersatzes kann zu Uneinigkeiten und Problemen führen. Es gilt, einerseits die Bauteile und Baumaterialien bestimmen zu können und andererseits die Arbeitsleistung beziffern zu können. Gerade bei bereits monatelangen Bauleistungen kann die Höhe des Wertersatzes ein zentraler Streitpunkt zwischen den Parteien sein.

Zusammenfassung

Der Verbraucherbauvertrag soll einerseits die Interessen des unerfahrenen Verbrauchers schützen, andererseits eine bestimmte Sicherheit auf Seiten des Unternehmers schaffen. Mit einer klar verständlichen Vertragsformulierung und einer ebenso verständlichen Widerrufsbelehrung stehen die Unternehmer auf der sicheren Seite des Gesetzes.

Um eine komplizierte Rückabwicklung des Verbraucherbauvertrages zu vermeiden, sollten Unternehmer in eine gut ausformulierte Widerrufsbelehrung investieren. Diese schützt sie vor einer verlängerten Widerrufsfrist und dem Risiko eines zu niedrigen Wertersatzes.



Zur Liste