Notarhaftung nach Erwerb von Schrottimmobilien

Der von HEE Rechtsanwälte vertretene Mandant hatte im Jahr 2008 einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in Berlin geschlossen, zu deren Erwerb er falsch beraten wurde. Unter anderem wurde ihm nicht erklärt, dass der bei der DKB abzuschließende Darlehensvertrag bis 2043 läuft. Außerdem wurde ihm von dem für die Firma SaFin GmbH tätigen Anlageberater versprochen, dass er die Wohnung nach 10 Jahren mit einem Gewinn von € 27.000,00 wieder verkaufen könne, was in diesem Fall grob falsch sein dürfte. Die Verkäuferin der Wohnung, die Singularis Grundstückshandel GmbH, existiert nicht mehr.

Der Kaufvertrag wurde – wie oft in sogenannten Schrottimmobilienfällen – in ein notarielles Kaufvertragsangebot und eine notarielle Kaufvertragsannahme geteilt. Die von der Singularis erklärte Kaufvertragsannahme erfolgte fast sieben Wochen nach dem Kaufvertragsangebot. Diese Kaufvertragsannahmeerklärung erfolgte also verspätet und unser Mandant hätte – wenn er darauf hingewiesen worden wäre – unter keinen Umständen noch einmal sein Einverständnis mit dem Abschluss des Kaufvertrags erklärt. Dies wäre allerdings erforderlich gewesen, denn in der verspäteten Annahme liegt juristisch nur ein neues Angebot.

Aus diesem Grund vertreten wir unseren Mandanten gegen den beurkundenden Berliner Notar und haben inzwischen auch Klage gegen diesen erhoben, da er bzw. seine Haftpflichtversicherung zu einer außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits nicht bereit waren. Der Notar haftet unserem Mandanten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO auf Schadenersatz, da er seine Pflichten als Notar verletzt hat. Der Notar war verpflichtet, unseren Mandanten darauf hinzuweisen, dass sein Angebot zum Zeitpunkt der Annahme durch die Verkäuferin bereits erloschen war. Nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 5. Oktober 2012 kann bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen erwartet werden (§ 147 Abs. 2 BGB). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Notar hätte die Annahme daher nicht beurkunden dürfen, sondern hätte unseren Mandanten darauf hinzuweisen gehabt, dass er erneut eine notarielle Erklärung abgeben müsste, wenn er die Wohnung noch erwerben wollte. Dies hätte unser Mandant jedoch wie bereits oben ausgeführt nicht getan. Die in dem Kaufvertragsangebot genannte Bindungsfrist war also unwirksam.

Weiter ist in dem von unserem Mandanten abgegebenen Kaufvertragsangebot geregelt, dass die Annahme bis zu einem etwaigen Widerruf erfolgen kann. Auch diese Regelung ist unwirksam, so dass ein Kaufvertragsschluss nicht wirksam erfolgen konnte.

Die Regelung im notariellen Kaufvertragsangebot über die unbegrenzte Wirksamkeit des Kaufvertragsangebotes auch nach Ablauf der Bindungsfrist verstößt nämlich gegen § 308 Nr. 1 BGB. Hierzu ist festzustellen, dass § 308 Nr. 1 BGB vorliegend Anwendung findet, unabhängig davon, ob die Formulierung mehrfach verwendet worden ist oder nicht. Unser Mandant konnte auf die Formulierung keinen Einfluss nehmen. Er ist Verbraucher im Sinne von § 13 BGB. Bei der Verkäuferin handelte es sich um ein Unternehmen. Die Regelungen des § 308 BGB finden gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB bei fehlender Einflussnahmemöglichkeit aufgrund der Vorformulierung Anwendung.

Durch eine dahingehend lautende Klausel, dass das Angebot nach Ablauf der unwiderruflichen Bindungsfrist unbefristet weiterlaufen soll und durch die Bindungsdauer von fast sieben Wochen ist unser Mandant unangemessen benachteiligt worden. Wenn die Klausel wirksam wäre, hätte die Verkäuferin der Wohnung das Angebot auch noch nach etlichen Monaten oder Jahren wirksam annehmen können. Unser Mandant hätte dies nicht ohne ein weiteres Zutun verhindern können. Die Klausel würde daher zu einer unbegrenzten Bindung unseres Mandanten führen, für die kein Grund ersichtlich war oder ist. Der Notar hätte daher die Beurkundung der Annahmeerklärung nicht durchführen dürfen. Da er dies jedoch getan hat, hat er gegen seine Pflichten verstoßen, § 4 BeurkG. Ein Verstoß gegen § 4 BeurkG liegt nicht nur bei einer Mitwirkung an erkennbar unerlaubten und unredlichen Geschäften vor, sondern auch bei unwirksamen Geschäften oder Verträgen, die unwirksame Klauseln enthalten.

Der Notar war gegenüber unserem Mandanten auch zu einem Hinweis wegen des erloschenen Angebotes verpflichtet (sogenannte „betreuende Belehrung“ nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Seine Pflicht bestand nicht nur gegenüber der annehmenden Partei. Da der Notar in dem von HEE Rechtsanwälte vertretenen Fall sowohl das Angebot, als auch die Annahme beurkundet hat, war er auch gegenüber unserem Mandanten zu einem Hinweis verpflichtet, der aufgrund der Aufspaltung des Kaufvertrages zudem besonders schützenswert war. Gerade in Anbetracht des langen Zeitablaufs zwischen Angebot und Annahme wäre der Notar gehalten gewesen, die Wirksamkeit des Vertragsschlusses zu prüfen.

Aufgrund der pflichtwidrigen Beurkundung der Kaufvertragsannahme ist unserem Mandanten ein Schaden entstanden. Wäre unserem Mandanten die Möglichkeit eröffnet worden, von dem Geschäft wieder Abstand zu nehmen, so hätte er weder ein neues Angebot abgegeben noch ein gemachtes Angebot angenommen.

Unser Mandant kann daher von dem Notar verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne den Abschluss des Kaufvertrages und des Finanzierungsvertrags stünde.



Zur Liste