BGH entscheidet: fiktiver Schadensersatz im Kaufrecht kann weiterhin verlangt werden

Es ist eine Frage von hoher praktischer Bedeutung und hat in den letzten drei Jahren eine interessante Wendung erlebt: die Frage nach der Ersatzfähigkeit von sog. fiktiven Mängelbeseitigungskosten.

Was sind fiktive Mängelbeseitigungskosten?

Nach einer Pflichtverletzung des Verkäufers, zum Beispiel durch nicht geleistete Mängelbeseitigung nach dem Kauf oder durch Verschweigen und Vorenthalten von wichtigen Kaufinformationen, kann der Käufer grundsätzlich Schadensersatz in angemessener Höhe verlangen.
Die Höhe dieses Schadensersatzes richtet sich in den meisten Fällen nach dem konkret angefallenen Schaden. Bei dem Kauf einer Wohnung kann sich die Höhe des zu verlangenden Betrages beispielsweise nach den tatsächlichen Handwerkerkosten richten, wenn der Verkäufer den Käufer über wichtige Informationen wie Schimmel -oder Schädlingsbefall arglistig getäuscht hat.
Dem BGH im März 2021 zur Stellungnahme vorgelegt wurde aber folgende Konstellation: zur Debatte stand, ob ein Schadensersatz auch in der Höhe von fiktiven Kosten verlangt werden kann. Es stellte sich daher die Frage, ob Kosten, die dem Käufer noch gar nicht zur Last gefallen waren, sondern in der Zukunft erst anfallen würden, als Schadensersatz eingeklagt werden können.

Streit zwischen zwei BGH Senaten

Diese Frage hat nun im März 2021 der V. Zivilsenat des BGH mit seinem Grundlagenurteil für das Kaufrecht entschieden. Nach der Verneinung der Ersatzfähigkeit von fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht vom VII. Zivilsenat des BGH im Jahr 2018 herrschte Uneinigkeit zwischen den Zivilsenaten und verschiedenen Oberlandesgerichten. Demnach wurde debattiert, ob die höchstinstanzliche Rechtsprechung für das Werkvertragsrecht auch auf das Kaufrecht anwendbar sein kann, was zur Folge hätte, dass ein fiktiver Schadensersatz nicht mehr verlangt werden könnte.
Diesen Streit hat der V. Zivilsenat des BGH nun für das Kaufrecht endgültig entschieden. Gegen die Ansicht den VII. Zivilsenats bejaht der V. Zivilsenat die Ersatzfähigkeit von fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Demnach können auch noch nicht angefallene Schäden im Rahmen des Schadensersatzes im Kaufrecht verlangt werden. Es spielt also keine Rolle, ob der Geschädigte den Schaden wirklich beseitigt hat oder nicht. Die Begründung dieser Entscheidung stützt das oberste Gericht hauptsächlich auf den Aspekt, dass der Geschädigte nicht das gesamte Finanzierungsrisiko der Mängelbeseitigungskosten tragen kann, es also unbillig sei, den Käufer gezwungenermaßen in „Vorkasse“ gehen zu lassen. Außerdem gibt es im Kaufrecht anders als im Werkvertragsrecht keinen Anspruch auf eine etwaige Vorschusszahlung für Beseitigungskosten, sodass es dem Käufer nicht zuzumuten sei die beabsichtige Mängelbeseitigung allein vorzufinanzieren.

Was bedeutet das für den Käufer?

Durch diese Beantwortung der Streitfrage durch den BGH kommt dem Käufer nach Kaufvertragsabschluss generell mehr Sicherheit zu. Sollte der Käufer arglistig getäuscht worden sein oder die Kaufsache mit Mangeln behaftet sein, muss der Käufer die Mängelbeseitigung nicht vorfinanzieren. Es besteht nun die Möglichkeit auch voraussichtliche, noch nicht entstandene Kosten zur Beseitigung des Mangels zu verlangen. Dies schützt den Käufer vor einer risikoreichen Vorzahlung.



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