Ist der Hinweis auf Abbau einer Hierarchieebene zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung ausreichend?

Ein Arbeitnehmer, welcher länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern arbeitet, genießt Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dies bedeutet, dass dem Arbeitnehmer ordentlich oder außerordentlich nur gekündigt werden kann, wenn der Arbeitgeber dies „sozial rechtfertigt“ (§ 1 KSchG).

Mögliche Kündigungsgründe können sowohl aus der Sphäre des betroffenen Arbeitnehmers, sogenannte personenbedingte Kündigungsgründe, wie auch aus der Sphäre des Arbeitgebers bzw. des Betriebs, sogenannte betriebsbedingte Kündigungsgründe, kommen.
Personenbedingte Kündigungsgründe stellen beispielsweise eine fehlende fachliche Qualifikation des Arbeitnehmers dar, eine Arbeitsverhinderung durch Haft oder lange Krankheit. Betriebsbedingte Kündigungsgründe dagegen liegen in der Betriebssphäre, z.B. die Insolvenz des Unternehmens oder die Schließung eines gesamten Geschäftszweigs.
Ob es bei der betriebsbedingten Kündigung als Rechtfertigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ausreichend ist, dass der Arbeitgeber sich auf eine „Umstrukturierung des Betriebs“ beruft, haben deutsche Gerichte nun entschieden.

Entscheidung des LAG Thüringen: Reicht der Hinweis auf Hierarchieebene aus?

Das LAG Thüringen musste sich kürzlich in der Entscheidung von 27.09.2022 (Az.: 1 Sa 158/21) mit der Frage befassen, ob für die Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung der bloße Hinweis auf die Abschaffung einer Hierarchieebene und die damit einhergehende Umstrukturierung des Betriebs ausreichend ist. Wie bereits das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 (Az.: 2 AZR 1041/06) in einem ähnlichen Fall entschieden hat, reicht ein solcher Hinweis für eine gerechtfertigte Kündigung nach dem KSchG nicht aus. Grundsätzlich gilt bei betriebsbedingten Kündigungen eine sogenannte Beweislastumkehr zugunsten des Arbeitnehmers. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber für eine Kündigung im Prozess für den Zeitpunkt der Kündigungserklärung detailliert darlegen muss, warum die Kündigung gerechtfertigt ist. Dazu gehört auch, wie nun das LAG Thüringen bestätigt, die genau Darstellung des Arbeitgebers, wie die anfallenden Arbeiten bei der Umstrukturierung des Betriebs vom restlichen Personal erledigt werden können.

Folge: Umfassende Begründung einer betriebsbedingten Kündigung notwendig

Der Arbeitgeber ist somit verpflichtet, eine umfassende, schlüssige und konkrete Prognose aufzustellen, wie in der Zukunft die wegfallende Arbeitskraft gleichwertig ersetzt werden kann. Außerdem muss er darlegen, weshalb die Arbeitsstelle im Rahmen einer Umstrukturierung wegfallen soll. Ein bloßer Hinweis auf die „Umstrukturierung“ oder auf den „Abbau einer Hierarchieebene“ sind für die strengen Voraussetzungen des KSchG nicht ausreichend. Es wird deutlich, dass für eine gerechtfertigte Kündigung pauschale Formulierungen nicht ausreichend sind und der Arbeitgeber dem gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsschutz nicht durch vage Begründungen entfliehen kann.

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